Tagesmutter Mindestlohn

Bekommt eine Tagesmutter Mindestlohn? Welche Bezahlung ist angemessen oder leistungsgerecht? Gibt es überhaupt einheitliche Regelungen?

Kindertagespflegeperson <> Tagesmutter

Seit 1990 ist die Kindertagespflege im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert. Warum der Begriff „Tagesmutter“ eigentlich veraltet ist, könnt Ihr hier nachlesen:

Einige Gedanken zum Mindestlohn

Seit 01.01.2015 gibt es in Deutschland einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Er gilt als unterste Lohngrenze für fast alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Bei der Einführung 2015 lag der gesetzliche Mindestlohn bei 8,50 Euro brutto pro Stunde. Am 1. Januar 2017 stieg er auf 8,84 Euro, zum 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro, am 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro und zum 1. Januar 2021 auf 9,50 Euro. Seit 1. Juli 2021 gilt in Deutschland ein Mindestlohn von 9,60 Euro. Zum 1. Januar 2022 steigt er auf 9,82 Euro und zum 1. Juli 2022 schließlich auf 10,45 Euro.“ (Quelle: www.destatis.de)

Im Jahr 2023 lag der allgemeine gesetzliche Mindestlohn bei 12 Euro pro Stunde, am 01.Januar 2024 12,41 Euro pro Stunde und am 01.Januar 2025 12,82 Euro pro Stunde. (Quelle: www.destatis.de).

kein Tagesmutter Mindestlohn!

Der gesetzliche Mindestlohn gilt jedoch nicht für Selbständige – auch nicht für selbständige Kindertagespflegepersonen.

Durchschnittsverdienst <> Mindestlohn

Das monatliche Durchschnittsgehalt eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers in Deutschland lag im Jahr 2020 bei ca. 3.975 Euro brutto (Männer: 4.146 Euro, Frauen: 3.578 Euro). Betrachtet man alle Arbeitnehmer, also auch Arbeitnehmer in Teilzeit, lag das Durchschnittsgehalt bei rund 3.092 Euro brutto im Monat. Quelle: statista.de

Verdienst einer Tagesmutter

Eine einfache Beispielrechnung soll verdeutlichen, wie sich die tatsächliche Einkommenssituation gestaltet:

Wir nehmen als Beispiel eine kommunale Satzung aus dem Jahr 2023: Eine Großstadt in Deutschland zahlt für die Betreuung eines Kindes im Umfang von täglich 8 Stunden einen sog. „Erziehungsbeitrag“ in Höhe von 198 Euro monatlich. Weitere Zuzahlungen der Eltern an die Tagespflegeperson sind in der kommunalen Richtlinie ausgeschlossen.

Zur Vollständigkeit erwähnen wir noch, dass diese Stadt weitere Zahlungen gewährt, die hier aber aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt bleiben:

  • Die Erstattung der Sach- und Weiterbildungskosten deckt pauschal die Betriebsausgaben ab.
  • Die Kosten der Unfallversicherung (BGW) werden vollständig übernommen
  • Die Kosten der nachgewiesenen Aufwendungen für die Alterssicherung, Kranken- und Pflegeversicherung werden zur Hälfte übernommen.

Nehmen wir an, eine Tagesmutter betreut 5 Kleinkinder mit jeweils 8 Stunden täglich. Diese Tagesmutter arbeitet von Monat bis Freitag. Damit errechnet sich eine Arbeitszeit am Kind von 8hx5Tage= 40 Wochenstunden (Wh).

In diesem Fall errechnen sich Einnahmen mit einem Betrag von 990,00 Euro monatlich (5 Kinder à 198,00 Euro) für eine Arbeit am Kind mit 40 Wochenstunden.

Die unmittelbare „Arbeit am Kind“ beträgt im o.g. Beispiel 40 Wh. Üblicherweise werden die Kinder zeitversetzt gebracht bzw. abgeholt. Außerdem sind zusätzlich Tätigkeiten zu erledigen, wenn keine Kinder anwesend sind (z.B. Elterngespräche, Einkäufe, Büroarbeit). Für diese Zeiten (sog. „mittelbare Arbeit“) setzen wir in unserem Beispiel pauschal 15% der Buchungszeit (15% von 40 Wh = 6 Wh) an. Eine Woche hat 7 Tage und ein Jahr hat 12 Monate. Ein Monat umfasst daher (365 Tage / 7 Tage / 12 Monate =) 4,35 Wochen. Damit errechnet sich eine monatliche Gesamtarbeitszeit von rund 200 Stunden (40+6 Wochenstunden x 4,35 Wochen).

Rechnen wir nun den Stundensatz aus: 990,00 Euro / 200 Stunden = 4,95 Euro pro Stunde brutto

Stundensatz: 4,95 Euro

Nun kann man argumentieren: „Wenn eine Tagesmutter Mindestlohn haben will, soll sie einfach mehrere Kinder betreuen und länger arbeiten“. Es ist jedoch gesetzlich geregelt, dass man maximal 5 Kinder gleichzeitig betreuen darf. Daher ist im o.g. Beispiel eine „Vollbelegung“ erreicht. Nicht vergessen darf man jedoch, dass diese theoretische Vollbelegung in der Praxis kaum zu erreichen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Selbständige auch Rücklagen für Ausfallzeiten bilden müssen. Auch eine Arbeitslosenversicherung (sofern man denn eine abgeschlossen hat) ist zu zahlen. Und letztendlich muss der Gewinn selbstverständlich auch noch versteuert werden.

Wenn man einen einen ersten Überblick geben will, kann man eine vereinfachte Berechnung durchführen. Wissenschaftlich fundiert und sehr ausführlich wurde das Thema behandelt in der Studie „Mindestens den Mindestlohn„:

Studie Mindestens den Mindestlohn

Der Landesverbandes Kindertagespflege Baden-Württemberg e.V. untersuchte die Situation vor Ort. Ein wesentliches Studienergebnis:

„Der Verdienst der Tagesmütter und -väter in Baden-Württemberg liegt 54% unter dem gesetzlichen Mindestlohn“

Studie „Mindestens den Mindestlohn“

Ein weiteres Ergebnis war ebenso deutlich: „Je mehr Stunden Tagesmütter und -väter arbeiten, desto weniger verdienen sie.“ Der Studie lag eine Bezahlung von 5,50 Euro je Kind und Stunde zu Grunde.

Zur Studie: https://kindertagespflege-bw.de/mindestens-den-mindestlohn/

Beruf Tagesmutter

Ist Kindertagespflege überhaupt ein Beruf, der eine existenzsichernde Bezahlung erfordert? Oder handelt es sich eher um ein „Hobby“, das man nebenbei erledigt und gut mit der eigenen Familie verbinden kann? Ist es gerechtfertigt, wenn eine Tagesmutter Mindestlohn erhält?

„Ein Beruf ist nicht nur die auf Grund einer persönlichen Berufung ausgewählte und aufgenommene Tätigkeit, sondern jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft. Ob die Tätigkeit selbstständig oder unselbstständig ausgeübt wird, ist unerheblich.“
Quelle: BVerfGE 97, 228, 253; BVerfGE 7, 377, 398 u. 399; BVerfGE 54, 301, 322; Jarass/Pieroth, 13. Auflage München 2014, Art. 12 Rdn. 5

„Demnach üben Kindertagespflegepersonen sehr wohl einen Beruf aus und haben auch ein Recht darauf, ihren Lebensunterhalt davon bestreiten zu können. Als bundesweite Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen e.V. wissen wir um die Bedingungen vieler Kolleg/-innen in ganz Deutschland und begrüßen die aufschlussreiche Studie Mindestens den Mindestlohn im Auftrag des Landesverbandes Kindertagespflege Baden-Württemberg e.V.

Die Kindertagespflege hat sich professionalisiert und weil eine entsprechende Anerkennung und Honorierung weiterhin auf sich warten lässt, besteht dringender politischer Handlungsbedarf!“

Ariane Schneider-Müllenstädt, ehem. 1. Vorsitzende
Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen e.V.

Wird an die Tagesmutter Mindestlohn bezahlt?

Tagesmutter Mindestlohn

Üblicherweise erfolgt die Bezahlung der Eltern an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe (meist Jugendamt). Dieses Amt kümmert sich dann auch um die Abrechnung gegenüber den Eltern. Die Bezahlung der Tagesmutter wird ebenfalls von dieser Behörde übernommen.

Das SGB VIII fordert im § 23, dass die Bezahlung „leistungsgerecht“ sein muss. Dazu sind jedoch die „konkreten Bedingungen vor Ort“ zu berücksichtigen. So wird das zumindest in Bayern erläutert.

Wie hoch die Bezahlung ausfällt und ob die Tagesmutter Mindestlohn erhält, ist tatsächlich von Kommune zu Kommune unterschiedlich.

Im Mecklenburg-Vorpommern gibt es beispielsweise eine besondere Länderregelung. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hat in einem Rechtsstreit dazu geurteilt, dass die Tagesmutter Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns hat, obwohl sie selbständig tätig ist.

„gelte aufgrund des Landesrechts, dass auch die selbstständig tätigen Tagespflegepersonen einen Anspruch auf die Zahlung des Mindestlohns haben“

n-tv.de 10.12.2019

Bericht zum OVG-Urteil (03.12.2019, 1 LB 69/18): https://www.n-tv.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/OVG-Urteil-zur-Kindertagespflege-Jugendamt-traegt-Risiko-article21449450.html

Der Landesgesetzgeber hatte im Rahmen des Landesrechtsvorbehalts nach § 26 Satz 1 SGB VIII den Umfang der Leistung nach § 23 SGB VIII näher ausgestaltet.

„Damit wird landesrechtlich eine Mindestvergütung der Tagespflegepersonen im Sinne eines Stundensatzes bestimmt, hinter der die Festlegung des Anerkennungsbetrages nicht zurückbleiben darf.“ 

Urteilsbegründung Rd.-Nr. 60

zum Urteil: https://openjur.de/u/2298967.html

Private Zahlungen zwischen Eltern und Kindertagespflegeperson dürfen dabei nicht von Behörden verboten werden, so lange keine Rechtsgrundlage (Gesetz oder Satzung) vorhanden ist. Daher wäre ein solches Verbot rechtswidrig (Urteil des VGH München vom 13.01.2021, 12 BV 16.1676).

„Die Freiheit, einen Beruf auszuüben, erweist sich als untrennbar verbunden mit der Freiheit, für die Tätigkeit eine angemessene Vergütung zu verlangen.“

Urteil des VGH München vom 13.01.2021, 12 BV 16.1676

private Zahlung: Tagesmutter Mindestlohn denkbar

Eine Tagesmutter kann die Kinderbetreuung aber auch privat anbieten, ohne dass eine Behörde beteiligt ist. Wenn es die Situation erlaubt, können die Elternbeiträge frei zwischen Eltern und Tagesmutter ausgehandelt werden. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn die Tagesmutter im Haushalt der Eltern arbeitet oder besondere Betreuungszeiten anbietet. Ob hier dann der gesetzliche Mindestlohn bezahlt wird, muss individuell vereinbart werden.

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